Ofenauer Tunnel der Strecke 101 03


Ofenauer Tunnel: 939,84 Meter

Brücke über die Salzach vor dem eingleisigen Südwestportal des Ofenauer Tunnels (Foto: Dr. Hermann Aicher, Verlag für Väterländische Literatur, Wien, Gemeinfrei, vor 1915)  
Ein Klick aufs Bild öffnet größeres Bild
Wird auch Gollinger Tunnel genannt.

Kurz hinter der Salzachbrücke türmt sich nun drohend und gewaltig die Felsbarriere auf, mit der die Ausläufer des Tennen- und des Hagen­Gebirges hier das Salzachtal scheinbar ganz abschließen. Die Wasser des Flusses haben diesen sperrenden Felsriegel in Jahrtausende währendem Nagen in weitem Bögen durchbrochen und gurgeln und rauschen unten in drangvoller Enge durch die düstere und großartige Klamm der Salzachöfen. Der nie rastende Menschengeist aber hat dieses Hindernis in gerader Richtung mit dem 923 Meter langen, eingleisigen Ofenauer-Tunnel (Siehe Bild links, Foto: Dr. Hermann Aicher, Verlag für Väterländische Literatur, Wien, Gemeinfrei, vor 1915) durchbohrt, der das bedeutendste Bauwerk an der Eisenbahnstrecke von Salzburg nach Bischofshofen darstellt. Am Ausgange dieses Tunnels ist das Landschaftsbild mit einem Male völlig verändert. Aus der weiten grünen Ebene, mit der ruhig und breit dahinströmenden Salzach ist die Bahn in ein enges, düsteres Gebirgstal gekommen, dessen Grund der wildschäumende Fluß fast ganz einnimmt, während an beiden Ufern fast unvermittelt steile und mächtige Felswände trotzig und kühn in die Höhe streben und kaum Platz lassen für die in dieser erhabenen und machtvollen Wildnis gering, erscheinenden Werke des Menschen, für die Straße und Bahn. Groß waren die Schwierigkeiten, die sich der Erbauung des zweiten Gleises in diesem Linienabschnitte entgegenstellten. Der wilde Charakter des Flusses verbot von selbst jeden das Flußbett verengenden Einbau und es mußte das zweite Gleis auf rund 6 Kilometer Länge grundsätzlich bergseits vom bestehenden Gleis angelegt werden. Hier führte aber unmittelbar neben der bestehenden Bahn die Reichsstraße vorbei, die vorerst auf längere Strecken verlegt werden mußte, um den hiedurch gewonnenen Straßengrund zur Anlage des zweiten Gleises benützen zu können.
So groß schienen die zu erwartenden Schwierigkeiten, daß ihnen in einem früheren Prösektstadium radikal durch einen längeren, eigens für das zweite Gleis zu erbauenden eingleisigen Tunnels, dem 1.925 Meter langen Stegenwald-Tunnel, ausgewichen werden sollte. Erst nach eingehenden Studien wurde dieses Tunnelprojekt aufgegeben, sowohl der Nachteile einer getrennten Linienführung und der Rauchbelästigung, wie nicht zuletzt auch der außerordentlich hohen Kosten wegen. Statt im Tunnel wurde das zweite Gleis offen neben dem bestehenden Gleis projektiert und sodann auch ausgeführt.
Fast unmittelbar am Ausgange des Ofenauer-Tunnels übersetzt die Bahn den Salzachfluß mit einer 67 Meter weiten Eisenbrücke. Sollte hier für das zweite Gleis eine gleichgroße Brücke neben jene für das bestehende Gleis gelegt werden, oder sollte nicht besser die bestehende Brücke abgetragen und mit Rücksicht auf die örtlichen Verhältnisse eine einzige breite doppelgleisige Brücke hergestellt werden? Letzteres ein naheliegender und für den projektierenden Ingenieur verlockender Gedanke. Näheres Studium ergab jedoch so gewichtige Bedenken gegen die Erbauung einer doppelgleisigen Brücke, daß dieses Projekt völlig aufgegeben Werken mußte: Es wurde die Brücke für das zweite Gleis unmittelbar neben dem Tragwerke des bestehenden Gleises angeordnet, das erst vor wenigen Jahren neu errichtet worden war und somit ohnehin noch ganz neu ist. Wegen der Breite der modernen Tragkonstruktionen und des für Revisionen und Instandhaltungsarbeiten notwendigen Abständes zwischen den beiden inneren Tragwänden ergibt sich jedoch an der Übersetzungsstelle eine Gleisdistanz von über 6 Meter; der Übergang von dieser abnormalen auf die normale Gleisdistanz mußte hierei in der Richtung gegen Salzburg in den vorhergehenden Ofenauer Tunnel hineinverlegt und dieser auf rund 70 Meter Länge trombenförmig erweitert werden. Der Tunnel liegt in so standfesten Dachsteinkalk, daß er bei seiner Erbauung im Jahre 1876 nur zum Teile ausgemauert werden mußte; die jetzt notwendige Erweiterung war daher weniger durch den Charakter des Gebirges als durch den dichten Zugverkehr erschwert, der unbedingt und im vollen Umfange aufrecht erhalten werden mußte.
In der jeweiligen Arbeitszone des Tunnels wurde zuerst ein nach außen, vollständig. abgeschlossenes Holzgerüste eingeschoben, das gleichsam einen Tunnel darstellte, unter dessen Schutz die Züge gefahrlos passieren konnten, während außerhalb in dem engen Räume zwischen dem Gerüste und der Tunnelwandung die Erweiterung ausgeführt werden mußte. Es war dies eine schwierige und gefahrvolle Arbeit und die Tunnelbelegschaft hatte besonders bei ungünstigen Witterungsverhältnissen unter den schädlichen Wirkungen der Lokomotivrauchgase sehr zu leiden. Das Bohren der Minenlöcher wurde mittelst pneumatischer Hämmer, System Flottmann, durchgeführt, denen ein am Tunnelausgange aufgestelltes Dampflokomobil die nötige Energie lieferte. Die Sprengungen wurden in den größeren Zugpausen mittels Dynamit durchgeführt. Der normale zweigleisige Tunnel hat eine größte lichte Weite von 8 Meter 20 Zentimeter, der erweiterte Ofenauer-Tunnel hingegen am Ausgang (Südwestportal) eine solche von 11 Metern. Wegen des am Tunnelausgange bestehenden Steinschlages, und der dort alljährlich aus großer Höhe niedergehenden Lawinen wurde die Tunnelröhre um eine in mächtigen Dimensionen gehaltene 13 Meter lange gewölbte Schutzgallerie von 11 Meter lichte Weite verlängert und die notwendigen Lawinen-, Leit- und Ablenkmauern ausgeführt. Dieses Objekt geht erst derzeit der Vollendung entgegen.
Quelle: ANNO, Allgemeiner Tiroler Anzeiger vom 3. Juni 1914
 
Umgebung am Nordportal des Ofenauer Tunnels (Screenshot aus YouTube-Video von Rotausleuchtung)
Umgebung am Nordportal vom Bahnhof Golling-Abtenau (Screenshot aus YouTube-Video von Rotausleuchtung, Dezember 2018)
 
Nordportal des Ofenauer Tunnels (Screenshot aus YouTube-Video von Rotausleuchtung)
Nordportal vom Bahnhof Golling-Abtenau, lichte Weite 8,20 Meter (Screenshot aus YouTube-Video von Rotausleuchtung, Dezember 2018)
 
Schild am Nordportal des Ofenauer Tunnels (Leicht unscharfer Screenshot aus YouTube-Video von RailTom)
Schild am Nordportal (Leicht unscharfer Screenshot aus YouTube-Video von RailTom, März 2023)
 
Südwestportal des Ofenauer Tunnels (Foto aus Youtube-Video von webasto)
Südwestportal vom Haltepunkt Tennek, lichte Weite 11 Meter (Foto aus Youtube-Video von webasto, Juni 2015)
 
Südwestportal des Ofenauer Tunnels (Foto: Franz Marti)
Südwestportal vom Haltepunkt Tennek, lichte Weite 11 Meter (Foto: Franz Marti, September 1979)
 
Südwestportal des Ofenauer Tunnels (Unbekannter Fotograf, ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv)
Südwestportal, lichte Weite 11 Meter (Quelle: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv, unbekannter Fotograf, 1928, Public Domain Mark)
 
Umgebung am Südwestportal des Ofenauer Tunnels (Foto aus Youtube-Video von webasto)
Umgebung am Südwestportal (Foto aus Youtube-Video von webasto, Juni 2015)
 
Blick aus dem Südwestportal des Ofenauer Tunnels auf beide Salzach-Brücken und Geröllschutzgalerie (Unbekannter Fotograf, ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv)
Blick aus dem Südwestportal auf beide Salzach-Brücken und Geröllschutzgalerie
(Quelle: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv, unbekannter Fotograf, 1928, Public Domain Mark)

Valid CSS!Valid XHTML 1.0 Transitional

Trennlinie